„The future of our earth may depend upon the ability of all women to identify and develop new definitions of power and new patterns of relating across difference.“– Audre Lorde[1]
Wir sind viele! Das haben wir in den letzten Jahren deutlich gespürt. Wir haben erfahren, dass Sexismus, Rassismus, Homophobie und sexuelle Ausbeutung und Gewalt nicht mehr wort- und tatenlos hingenommen werden. Lautstark rütteln FLINTA an den patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft, wollen sich von überholten und verhärteten Normen und Regeln stereotyper Rollenbilder lösen. Zu oft wird noch in Kategorien gedacht, die kein Anderssein zu lassen. Zu oft ist Diskriminierung Alltag.
Feminismus ist eine Bewegung, die das Ende des Sexismus, der sexuellen Ausbeutung und der Unterdrückung verlangt – bell hooks Definition folgend.[2] Daher ist es für uns grundlegend wichtig, dass Feminismus nicht als „Frauen*aufgabe“ aufgefasst wird, sondern alle Menschen einer gleichberechtigten, toleranten Gesellschaft betrifft: „Feminism is for EVERYBODY.“[3] bell hooks Statement deutet auf Zweierlei hin: Erstens, jeder Mensch, der in einer sexistischen Gesellschaft aufwächst, hat sexistische Denk- und Verhaltensweisen verinnerlicht, die erkannt und abgebaut werden müssen. Zweitens, die feministische Bewegung war nicht immer, per se für alle Menschen offen. Aus den Fehlern der Vergangenheit wollen wir lernen. Ja, wir wollen einen Feminismus, der keinem Dogma folgt, Vielstimmigkeit und Diversität lebt, Geschlechter und Generationen verbindet.
Obwohl sich in den letzten 100 Jahren die Lebensumstände für Frauen* in vielen Teilen Europas verbessert haben, besteht weiterhin eine tief verankerte Ungleichheit, die uns „als Individuen, als Frauen, als Menschen“[4] in all unserer Komplexität und Vielfalt nicht akzeptiert. 1980 hielt Audre Lorde fest, dass sie als schwarze, lesbische Frau und Mutter von zwei Kindern, nicht in die vorherrschenden gesellschaftlichen Kategorien passte und sich je nach Situation immer neu verbiegen musste: „Ständig werde ich dazu animiert, einen Teilaspekt meines Selbsts als großes Ganzes zu präsentieren, dabei soll ich die anderen Teile meiner Selbst verbergen und leugnen. Das ist eine destruktive und zersplitterte Form des Seins.“[5]
Lorde ruft Frauen* dazu auf, ihre Energie und Wut zu nutzen, um neue gleichberechtigte Gesellschaftsstrukturen zu schaffen, in der Unterschiede und Diversität gelebt werden. Das Anderssein müsse neu definiert werden und zwar von FLINTA selbst. Anstatt sich ständig anzupassen oder die eigene menschliche Essenz erklären zu müssen, sei es an der Zeit, eine kritisch intersektionale, feministische Perspektive als Basis einer inklusiven Gesellschaft anzustreben, die im Gegensatz zu einer integrativen Gesellschaft einem jeden Individuum selbstverständlich eine Heimat bietet.[6]
Lorde hat vor ihrem Tod (1992) mehrere Jahre in Berlin gelebt und unterrichtet,[7] sich besonders für Queer / Women of Color und lesbische Frauen eingesetzt und den in Deutschland herrschenden Rassismus lautstark thematisiert. Ihr Plädoyer steht für einen intersektionalen Feminismus, der im Gegensatz zum sogenannten white feminism unter Berücksichtigung von sozialen und ökonomischen Umständen, Herkunft, Hautfarbe und sexueller Orientierung allen Frauen* entsprechend hilft. Jede* müsse als Individium, bestehend aus sich im Wandel befindenden Persönlichkeitsaspekten, verstanden werden. „Unsere Unterschiede nicht anzuerkennen“, schreibt Lorde, „verhindert, dass wir als Frauen die Probleme und Tücken, die wir erleben, wirklich erkennen können“. [8]
Dieser Text ist nun fast vierzig Jahre alt und verliert dennoch weder an Relevanz noch an Aktualität. Sexismus und Rassismus beherrschen immer noch unseren Alltag, auch wenn seit der #MeToo-Debatte und dem Weinstein-Skandal Diskriminierung und sexuelle Gewalt verstärkt ins Bewusstsein der Gesellschaft gerückt sind. Doch sexuelle Gewalt, Sexismus und Rassismus sind nicht einfach ein Skandal, sie sind weder Eintagsfliegen noch Futter für die Gazetten – sie sind die Realität in der wir leben. Wir leben keineswegs in post-feministischen oder post-rassistischen Zeiten, weswegen wir es als unsere dringende Aufgabe sehen, ein Bewusstsein für diese Themen zu schaffen und die gegenseitige Unterstützung in der Gesellschaft zu stärken, was durch offenen Austausch, Sensibilisierung, Bildung und Aufklärung erst ermöglicht wird.
„Becoming a feminist involves coming up against the world […] We begin to identify how what happens to me, happens to others. We begin to identify patterns and regularities.“ – Sara Ahmed[9]
Mit And She Was Like: BÄM! haben wir uns 2015 zusammengeschlossen, um gemeinsam aktiv zu werden und uns tiefer gehend mit dem Thema Gleichstellung und Chancengleichheit auseinanderzusetzen. Wir haben aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus gehandelt und mit dem Bedürfnis, sich nicht allein den Herausforderungen stellen zu müssen.
Schnell stand das gemeinsame Ziel fest, die Sichtbarkeit von FLINTA in kreativen Berufen zu stärken, was mit der Gründung einer Community einherging, in dessen Rahmen wir uns gegenseitig unterstützen können. Im Laufe der letzten Jahre haben wir Gesprächsangebote und Formate rund um das Thema Feminismus organisiert. Diese Räume wollen wir weiterhin schaffen. Wir möchten unsere Arbeit fortführen, die geknüpften Beziehungen stärken und weiter für Aufklärung und Sensibilisierung in der Gesellschaft eintreten, damit unsere erklärten Ziele in der Zukunft immer mehr zur Selbstverständlichkeit werden können.
Uns geht es aber nicht mehr nur um Chancengleichheit. Wir haben mit And She Was Like: BÄM! einen Prozess begonnen, den mensch unter becoming feminist[10] zusammenfassen kann. Wir lernen uns neu zu positionieren, erfahren, was es bedeutet, Stellung zu beziehen, werden uns unserer Fähigkeiten und unserer individuellen Unterschiede bewusster und erkennen immer deutlicher, was all das für das gesellschaftliche Miteinander bedeutet. Wir wollen Sexismus, also die „Vorstellung, nach der ein Geschlecht dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die [daher für gerechtfertigt gehaltene] Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung von Menschen, besonders von Frauen, aufgrund ihres Geschlechts“[11] beenden. Denn nur wenn diese Strukturen sich ändern, kann Chancengleichheit auch gelingen.
Jede* von uns wird herausfinden, was becoming feminist bedeutet. Wir wollen uns darüber austauschen und gegen Diskriminierung vorzugehen. Lasst uns gemeinsam neue Strukturen schaffen, uns gegenseitig zuhören, uns vernetzen, unsere Unterschiede nutzen, anstatt sie als hinderlich zu erachten – und uns dafür einsetzen, dass allen Menschen in Zukunft gleichberechtigt und mit Respekt begegnet werden wird.
Lisa Long für BÄM! (Vorstand BÄM!)